Die wichtigsten fahrgastrechtlichen Regelungen im See- und Binnenschiffsverkehr enthält die Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 vom 24.November 2010.
Geltungsbereich
Der Geltungsbereich ist auf Fahrgäste beschränkt, die mit Unternehmen reisen, bei denen
- der Einschiffungshafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats liegt oder
- der Einschiffungshafen nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats liegt, jedoch der Ausschiffungshafen (vorausgesetzt, die Fahrt wird von einem Beförderer aus der EU erbracht).
Auch für Reisende, die an einer Kreuzfahrt teilnehmen (wobei der Einschiffungshafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats liegen muss) gelten zahlreiche Regelungen der Verordnung.
Hinweis:
Die Verordnung gilt u.a. nicht für Fahrgäste, die mit Schiffen fahren, die für die Beförderung von maximal zwölf Fahrgästen zugelassen sind, deren Besatzung aus höchstens drei Personen besteht, deren Gesamtstrecke weniger als 500 m für eine einfache Fahrt beträgt (Fähren) bzw. die Ausflugs- und Besichtigungsfahrten anbieten (keine Kreuzfahrten).
Kurz zusammengefasst die wichtigsten Rechte:
Verspätung/ Annullierung
- rasche Informationder Fahrgäste über die verspätete bzw. annullierte Abfahrt (spätestens 30 Minuten nach der fahrplanmäßigen Abfahrtszeit);
- angemessene Hilfeleistungen, wenn das Schiff bei der Abfahrt mehr als 90 Minuten Verspätung hat oder ganz ausfällt: unentgeltliche kleinere Mahlzeiten und Erfrischungen, sofern verfügbar bzw. in zumutbarer Weise beschaffbar. Wenn notwendig auch die kostenlose Unterbringung an Bord oder in einem Hotel an Land (mögliche Beschränkungen auf max. drei Nächte und max. 80,00 EUR pro Person) – einschließlich Transfer;
- Fahrpreiserstattungund ggfs. kostenlose Rückfahrt zum vertraglichen Abfahrtsort oder anderweitige Beförderung, wenn absehbar, dass sich die Abfahrt des Schiffes um mehr als 90 Minuten verzögert oder das Schiff ganz ausfällt;
- bei verspäteter Ankunft am vertraglichen Endziel haben Reisende Anspruch auf eine Entschädigung, die mindestens 25 % des Fahrpreises beträgt bei einer Verspätung von
- einer Stunde bei einer planmäßigen Fahrtdauer von bis zu vier Stunden,
- zwei Stunden bei einer planmäßigen Fahrtdauer von mehr als vier bis zu acht Stunden,
- drei Stunden bei einer planmäßigen Fahrtdauer von mehr als acht bis zu 24 Stunden,
- sechs Stunden bei einer planmäßigen Fahrtdauer von mehr als 24 Stunden.
Ist die jeweilige Verspätungszeit doppelt so hoch, beträgt die Entschädigung 50 % des Fahrpreises.
Hinweis:
Hilfe und Entschädigungszahlungen sind nicht zu leisten, wenn Fahrgäste vor dem Kauf des Tickets über die Verspätung oder Annullierung informiert wurden oder wenn sie die Verspätung bzw. Annullierung selbst verursacht haben. Ebenfalls ist das Unternehmen von diesen Leistungen befreit, wenn außergewöhnliche Umstände (Wetterbedingungen) einen sicheren Betrieb des Schiffes beeinträchtigen und es folglich zu einer Verspätung bzw. Annullierung kommt.
Menschen mit Behinderungen/ Mobilitätseinschränkungen
Menschen mit Behinderungen/Mobilitätseinschränkungen dürfen nicht diskriminiert werden, indem Ihnen etwa die Reise verweigert oder nur zu höheren Preisen ermöglicht wird. Die Verordnung ermöglicht dem Unternehmen jedoch – etwa wenn das Schiff den Ein- bzw. Ausstieg eines behinderten Menschen aufgrund geltender Sicherheitsanforderungen nicht zulässt – die Beförderung zu verweigern (vgl. Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 Kapitel II, Artikel 8). Es empfiehlt sich daher, vor Buchung bzw. Fahrtantritt Rücksprache mit dem Unternehmen zu halten.
Beim Ein- und Ausschiffen sowie an Bord haben behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität das Recht auf kostenfreie Hilfeleistungen, insoweit der Hilfsbedarf dem Beförderer oder Terminalbetreiber grundsätzlich 48 Stunden vorher gemeldet wurde;
Die Beförderer und Terminalbetreiber haften für Schäden in Folge des Verlusts oder der Beschädigung von Mobilitätshilfen oder sonstigen speziellen Ausrüstungen.
Gepäck-/ Personenschäden
Die im Athener Übereinkommen getroffenen Regelungen bei Gepäck- und Personenschäden von Schiffsreisenden sind nahezu vollständig in den Anhang der Verordnung (EG) Nr. 392/2009 über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See eingefügt worden und gelten seit dem 31. Dezember 2012.
Verlorenes oder beschädigtes Kabinengepäck
Der Beförderer haftet für den Verlust oder die Beschädigung, wenn
- das den Schaden verursachende Ereignis auf ein Verschulden des Beförderers zurückzuführen ist,
- wobei für Kabinengepäck eine Haftungshöchstgrenze von 2.670 EUR gilt (Stand: Juni 2021).
Tod oder Körperverletzung
Für den Schaden durch Tod oder Verletzung eines Reisenden haftet der Beförderer
- grundsätzlich bis zu einer Haftungshöchstgrenze von 475.000 EUR (Stand: Juni 2021);
- keine Haftung besteht hingegen im Falle von höherer Gewalt.